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1. Einleitung. 1

2. Unterbringung in den Gastfamilien. 1

3. Weitere Unternehmungen und Erlebnisse  2

4. Verlauf des Praktikums  4

4.1 Schülerstreiks. 4

4.2 Ordnungsgemäßer Beginn des Praktikums. 6

4.3 Als „surveillant“ im „Vie Scolaire“. 6

4.4 In Caféteria und C.D.I. 8

4.5 Unterschiede zwischen französischem und deutschem Schulsystem.. 8

4.6 Im Unterricht 10

5. Fazit......................................................................................................................... 11

 

1. Einleitung

Von März bis Juli 2005 hatte ich das Glück im Rahmen eines Praktikums am „Lycée du Castella“ fast vier Monate in unserer Partnerstadt Pamiers zu verbringen. Dabei durfte ich intensiv aus nächster Nähe neben dem französischen Schulsystem auch die wunderschöne Landschaft des Départements Ariège und der Region Midi-Pyrénées kennen lernen.

Zwar handelte es sich dabei nicht um meinen ersten Aufenthalt in Pamiers, jedoch lag der erste und letzte bereits neun Jahre zurück. Damals war ich mit der Schülergruppe des Albert-Schweitzer-Gymnasiums dort gewesen, hatte allerdings nicht die Möglichkeit, Pamiers, die Region und natürlich auch die französische Sprache so intensiv auf mich einwirken zu lassen, wie es dieses Mal der Fall sein sollte.

2. Unterbringung in den Gastfamilien

Während meines Aufenthalts war ich bei vier Gastfamilien untergebracht, die bis auf eine, in kleineren Orten in der Nähe von Pamiers wohnten. Alle Familien nahmen mich gemäß der typisch französischen Gastfreundschaft herzlich bei sich auf und machten mich nicht nur mit den kulinarischen Besonderheiten ihrer Region vertraut. Zuerst kam ich zu Françoise und Alain Barrau in Les Issards, bei denen ich bis zu den Frühlingsferien untergebracht war. Da Alain ein begeisterter Hobby-Ornithologe ist, durfte ich mit Barraus und zwei ihrer Freunde an einem Ausflug Teil nehmen, bei dem wir auch Vögel mit Teleskop und Fernglas beobachten konnten, was ich wirklich interessant fand.

Als die Frühlingsferien begannen, ging ich für zwei Wochen in meine nächste Gastfamilie, zu Familie Piot, nach Toulouse. Familie Piot kannte ich schon von zwei früheren Frankreichaufenthalten. 1999 und 2001 hatte ich hier bereits ein paar Wochen verbracht. Auch Piots Sohn David war einen Monat lang Praktikant in Crailsheim in der Kapellenbuchhandlung  gewesen und hatte während dieser Zeit bei meiner Familie in Satteldorf gewohnt. Bei Familie Piot besuchte mich auch meine Freundin Kadri. Zusammen mit Mme Piot oder auch alleine unternahmen wir Ausflüge nach Foix, Carcassonne und zur Grotte von Niaux. In Foix unternahmen wir eine Bergwanderung und besuchten das Schloss. Das mittelalterliche Carcassonne inmitten dieser schönen Landschaft sowie die Grotte mit ihren Höhlenmalereien habe ich gerne wieder besucht. Auch die Stadt Toulouse haben wir natürlich ausführlich besichtigt und den ganz besonderen Charme der „Ville Rose“ (rosafarbene Stadt) mit ihren alten Gebäuden und der wunderschönen Lage an der Garonne auf uns wirken lassen. Jedoch konnten wir leider keine Schifffahrt auf der Garonne unternehmen, da der Wasserstand zu dieser Zeit zu hoch war. Mit M. Piot gingen wir am Ufer des Canal du Midi spazieren und besuchten einen französischen Markt.

Anfang Mai schließlich ging ich zu meiner dritten Gastfamilie nach Dalou. Meine Gasteltern Nicole und George-Patrick Gleize, selbst Lehrer am „Lycée du Castella“ und noch dazu erfolgreiche Schriftsteller, zeigten mir Andorra, Ax-les-Thermes und die Pyrenäen bei Foix. Auch mit ihrem Sohn und ihrer Tochter verstand ich mich gut. Der Sohn, George-Emanuel, war sogar in der Deutschklasse, in der ich am Lycée unterrichtete. Natürlich gab ich ihm während meines Aufenthalts bei Familie Gleize gelegentlich Hilfestellung bei den Hausaufgaben. Schließlich wechselte ich in meine vierte und letzte Gastfamilie: Sylvie und Marcel Delaunay in St. Jean du Falga. Bei ihnen sah ich, wie man einen eigenen Swimmingpool baut und konnte auch ein kleines bisschen aktiv daran Teil haben. Als die Tage dann sehr heiß wurden, war ich froh diesen Swimmingpool Abends nach getaner Arbeit an der Schule benutzen zu dürfen. Sie hatten ebenfalls zwei Kinder, mit denen ich mich gut verstand. Matthias war zwar schon bei der Gendarmerie beschäftigt, wohnte jedoch noch zu Hause. Mit Camille ging ich Morgens in die Schule, denn sie besuchte am Lycée die 2nde (10. Klasse).

3. Weitere Unternehmungen und Erlebnisse

Nicht vergessen darf ich außerdem Jeanne Palmade, Janine Barrière, Michel Eche, Eliane Bénazet – die Deutschlehrerin des „Lycée du Castella“ – und natürlich Dominique Lafont, die sich alle um mich kümmerten, indem sie mit mir Ausflüge unternahmen oder sogar ganze Wochenenden mit mir wegfuhren. So verbrachte ich ein Wochenende mit Eliane Bénazet und ihrem Mann in den Bergen, wo wir zwei tolle Touren unternahmen. Mit Jeanne Palmade und Janine Barrière verbrachte ich drei Tage in Salou in Spanien.

Kurz nach meiner Ankunft durfte ich auch an der „fête de l'omelette“ (Fest des Omeletts) Teil nehmen, die von Jumelages-Amitiés jedes Jahr am Ostermontag gefeiert wird. Dabei wird süßes, flambiertes Omelett gegessen, das nur an Ostern zubereitet wird. Wenige Zeit später durfte ich mich bei einer weiteren Veranstaltung an einer Aktion von Jumelages-Amitiés beteiligen. An der „Foire Expo“, einer Messe in Pamiers vertrat ich die Stadt Crailsheim am Stand von Jumelages-Amitiés. Als sich mein Aufenthalt Mitte Juli schließlich seinem Ende zuneigte, hatte ich noch einmal die Ehre an einer besonderen Aktivität Teil nehmen zu dürfen: der „Fiesta“. Beim Festzug der „Fiesta Latina”, der unter dem Motto „schwarz-weiß“ stand, wirkte ich in der Gruppe von Jumelages-Amitiés als einer der Charly Chaplins mit. Am letzten Tag meines Aufenthaltes durfte ich dann noch auf einer Bühne der Fiesta mit der Gitarre ein deutschsprachiges Lied vortragen, worum mich Michel Eche und Dominique Lafont gebeten hatten.

Bei diesen Aktionen war ich mit viel Spaß und Freude dabei und ich denke, dass es eine wertvolle Erfahrung war mit solchen Aktionen etwas zur Völkerverständigung beizutragen.

Darüber hinaus fand während meines Praktikums auch das Referendum über die EU-Verfassung statt. Schon im Vorfeld hatte ich von Befürwortern und Gegnern verschiedene Meinungen über die Verfassung gehört. Alles in allem konnte ich jedenfalls den Eindruck gewinnen, dass die Mehrheit der Franzosen nicht gegen Europa, auch nicht gegen eines mit Verfassung ist. Viele fürchteten jedoch, dass sozialstaatliche Elemente in der EU mit Inkrafttreten der Verfassung nur noch eine untergeordnete Rolle spielen könnten, und dass die Verfassung insgesamt zu liberal ausgestaltet sei. Den Tag des Referendums verbrachte ich mit Franzosen, die mit „oui“ gestimmt hatten und nach Veröffentlichung des Ergebnisses sehr enttäuscht waren. Diejenigen, die für die Verfassung waren erklärten mir auch immer wieder, dass die Anhänger des „non“ entweder falschen Befürchtungen aufsäßen oder einfach nur gegen Staatspräsident Jacques Chirac stimmen wollten. Was mich aber beeindruckte war die Tatsache, dass über die Verfassung in Frankreich von Befürwortern und Gegnern, so auch unter meinen studentischen Kollegen und den Lehrern wirklich diskutiert wurde. Ich vermute zwar nicht, dass die Mehrheit der Bürger Frankreichs die Verfassung oder Teile davon ausführlich gelesen hat. Jedoch konnte ich sogar Streitgespräche in Familien erleben, die über ihr Abstimmungsverhalten keineswegs durchweg einer Meinung waren. In Deutschland konnte es Reaktionen dieses Ausmaßes allein deshalb nicht geben, weil es hier kein Referendum gab. Das Volk hatte hier kein direktes Mitspracherecht. Ergo musste das Interesse im deutschen Volk sich auch nur halbwegs ausführlich mit der Verfassung auseinander zu setzen um ein Vielfaches geringer sein. Interessant fand ich am Abend des Referendums noch, dass die erste Prognose in Frankreich erst ab 18.00 Uhr (Zeitpunkt der Schließung der Wahllokale) verkündet werden durfte, ich aber per SMS aus Deutschland schon etwas früher eine ziemlich genaue Prognose erhalten hatte.

4. Verlauf des Praktikums

Nun möchte ich aber auf den Hauptgrund meines Aufenthaltes, das Praktikum zu sprechen kommen.

Da ich an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg unter anderem das Fach Französisch auf Lehramt an Realschulen studiere, wurde von mir ein zusammen hängender, mindestens dreimonatiger Aufenthalt im französischsprachigen Ausland erwartet. Schon lange war es mein Wunsch gewesen, diesen Aufenthalt in Form eines Praktikums an einer Schule in Pamiers zu verbringen. Im März 2005 ging er dann in Erfüllung.

4.1 Schülerstreiks

An jenem Tag im März, an dem ich mein Praktikum am „Lycée du Castella“ beginnen sollte, kam ich jedoch nicht hinein, denn die Schüler hatten das Eingangstor im Zuge eines landesweiten Schülerstreiks durch einen sog. „Blocus“ versperrt. Die Schüler demonstrierten gegen eine Schulreform des französischen Bildungsministers Fillon, welche unter anderem zu einer Dezentralisierung des „baccalauréat“ führen sollte. In ganz Frankreich legen alle Abiturienten am selben Tag zur selben Zeit das selbe schriftliche Abitur ab. Alle vor den Abiturprüfungen erbrachten Leistungen fließen nicht in die Abiturnote mit ein. Dies sollte sich mit der Reform Fillons ändern, wodurch die Reformgegner die objektive Beurteilung der Abiturienten in Gefahr sahen. In Frankreich wird die objektive Beurteilung durch den eigenen Lehrer nämlich für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten. Ich hörte viele Stimmen für und wider diese Reform, teilweise auch unbegründete Befürchtungen. Die Reform kam letztendlich jedenfalls nicht wie geplant. Allerdings erreichten die demonstrierenden Schüler ihr Ziel auch nicht: schließlich wollten sie diese ja gänzlich verhindern. Dafür übernachteten sie von diesem Tag auf den nächsten sogar vor dem Schulgebäude. Doch die Reform wurde in eben dieser Nacht dennoch vom Parlament beschlossen. Die Streiks gingen noch bis lange danach weiter, wenngleich sie auch nicht von allen Schülern mitgetragen wurden. Um das Lycée gegen die streikenden Schüler zu schützen, ließ der Direktor den Eingang an einzelnen Tagen sogar von der Polizei blockieren. In anderen Städten war es dabei sogar zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und demonstrierenden Schülern gekommen, aber in Pamiers blieb es in dieser Hinsicht friedlich. Es muss bemerkt werden, dass sich einige Lehrer wegen des durch die Streiks oft ausfallenden Unterrichts sorgten, die Abiturienten könnten unzureichend vorbereitet in die Abiturprüfungen gehen. Dabei gab es neben den regulär stattfindenden Streiks auch Schüler, die ihre Privatstreiks abhielten und somit auch an anderen Tagen der Schule fern blieben. Schließlich wurde fast jede Woche mit einem Streik gerechnet. Da der Pfingstmontag in diesem Jahr als Feiertag abgeschafft worden war, streikte übrigens das gesamte Dienstpersonal, einige Lehrer und die Mehrheit der Schüler des Lycées. Daher bekamen die Schüler in der Kantine an diesem Tag auch kein warmes Gericht.

Es muss noch bemerkt werden, dass die französischen Schüler aufgrund der zentralstaatlichen Organisation des französischen Staates viel besser organisiert sind, als die Schüler in Deutschland. So wurden die Streiks mit Unterstützung der landesweiten Organisation für die Schüler an den französischen Lycées durchgeführt. Bei uns wären solche Verhältnisse unter normalen Umständen nicht möglich, da eine Schulreform im Normalfall nur ein einzelnes Bundesland betreffen würde. Ebenfalls beachtlich war die Tatsache, dass sich auch Studenten mit den streikenden und demonstrierenden Schülern solidarisierten. In der Folge wurden also auch die Universitäten bestreikt, weshalb dort auch einige Prüfungen kurzfristig verlegt werden mussten.

Zwar versuchte ich an meinem planmäßig ersten Arbeitstag noch mit Françoise Barrau durch den Personaleingang in die Schule zu gelangen, wurde dabei aber vom Direktor selbst zurückgewiesen, der sich in diesem Augenblick voll und ganz dem Schülerstreik widmen musste. An diesem Tag konnte ich mein Praktikum also nicht beginnen. Als ich Tags darauf in die Schule wollte, war diese jedoch immer noch versperrt. Diesmal hatte der Schuldirektor, den ich zusammen mit dem Konrektor und dem CPE[1] (Conseiller Principal d’éducation) vor der Schule antraf, sie selbst verschlossen, da er eine Besetzung der Schule durch die Schüler befürchtete, wie es in Mirepoix geschehen war. Ich wurde dem Direktor, M. Tripier und den beiden anderen vorgestellt und traf auch die Deutschlehrerin Mme Bénazet. M. Tripier entschuldigte sich bei mir dafür, dass er mich am Vortag nicht hatte empfangen können, meinte aber, dass ich ja selbst sähe wie es am Lycée derzeit zuginge. Also ging ich an diesem Tag wieder nicht in die Schule und so begann das Osterwochenende für mich etwas früher. Am Ostermontag nahm ich schließlich, wie oben bereits erwähnt, an der „fête de l'omelette“ Teil. Dort wurde darauf spekuliert, dass die Streiks auch nach Ostern noch weitergehen könnten und so bot mir Jeanne Palmade an, mich zusammen mit Janine Barrière nach Salou in Spanien mitzunehmen. Ich sagte zu, da ich noch nie zuvor in Spanien gewesen war und wenige Stunden später befand ich mich schon in Jeanne Palmades Auto auf dem Weg dorthin.

4.2 Ordnungsgemäßer Beginn des Praktikums

Aus Spanien zurückgekommen konnte ich nun also endlich ordnungsgemäß mein Praktikum beginnen. Mit M. Tripier verabredete ich schließlich, dass ich neben Tätigkeiten im „Vie Scolaire“, der Bibliothek und der Cafeteria auch als Assistent Deutschunterricht erteilen und in diversen Unterrichtsfächern hospitieren sollte. Somit sollte gewährleistet werden, dass ich möglichst viele Facetten des französischen Schulsystems kennen lernen konnte. Das Assistieren im Deutschunterricht war mir sehr wichtig, da ich neben Französisch auch Deutsch studiere und an der PH Heidelberg auch in einem Forschungsprojekt mitgearbeitet hatte, das im Zusammenhang mit Deutsch als Zweitsprache stand. Außerdem könnte ich mir sehr gut vorstellen einmal als Deutschlehrer im Ausland zu arbeiten und wollte in diesem Bereich erste Erfahrungen sammeln.

4.3 Als „surveillant“ im „Vie Scolaire“

Nachdem ich mit M. Tripier geklärt hatte, welche Aufgaben mir zugetragen werden sollten, wurde ich erst einmal im „Vie Scolaire“ (wörtlich: Schulleben) untergebracht. Das „Vie Scolaire“ ist ein Büro, das von den CPEs1 geleitet wird und wo die „surveillants“ (Aufsichtspersonen) – meist Studenten – beschäftigt werden. Hier müssen sich die Schüler melden, wenn sie ein Formular wegen Zu-spät-Kommens ausfüllen müssen, um in den Unterricht zu dürfen. Wird ein Schüler vom Lehrer als abwesend gemeldet, so werden die Eltern umgehend telefonisch über das Fernbleiben ihres Kindes unterrichtet. An manchen Schulen geschieht dies sogar schon per SMS. Auch wenn die Schüler ihre Karte für die Kantine vergessen haben, müssen sie sich beim „Vie Scolaire“ einen „bon pour un repas“ ausstellen lassen, um trotzdem in der Kantine essen zu dürfen. Sollte ein Schüler krank werden, so wird er mit einem Formular vom „Vie Scolaire“ zur schuleigenen Krankenschwester geschickt, die als einzige offiziell Medikamente verabreichen darf. In schlimmeren Fällen können sich die Schüler auch in eines der vier Betten der Krankenstation legen. Kommen die Schüler von dort zurück, so müssen sie ebenfalls wieder beim „Vie Scolaire“ vorbeikommen, um sich ihr Formular abstempeln zu lassen. All diese Vorgänge werden von den „surveillants“ in einem Heft schriftlich festgehalten und anschließend zusätzlich in den Computer eingegeben. Zudem werden den Eltern am Ende jeder Woche Briefe über die Höhe der Fehlzeiten ihrer Kinder versandt, wenn diese ein bestimmtes Ausmaß erreicht haben. Dies geschieht außerdem bei unentschuldigtem Fehlen, oder wenn die Schüler Mittwochnachmittags nachsitzen müssen. So gibt es im „Vie Scolaire“ also vor allem Freitags, gegen Ende des Tages, viel zu tun, wenn unzählige Briefe ausgedruckt, gestempelt gefaltet und versandt werden müssen. Doch auch, wenn aufgrund von Streiks Eltern ihre Kinder telefonisch entschuldigen und diese als fehlend registriert werden müssen, wird es sehr schwierig für die „surveillants“, da die Telefonleitungen dann regelrecht glühen. Streiken wird in Frankreich nämlich als offizieller Entschuldigungsgrund akzeptiert. Wie schon erwähnt kam es während meines Aufenthaltes immer wieder zu solchen Streiks. So ließen die Schüler des Lycées  ihre Lehrer beispielsweise am 7. April wieder nicht in die Schule. Einige Tage zuvor hatten sich die Lehrer auch noch an den Streiks beteiligen wollen, doch wurde dies durch eine Erhöhung ihrer Gehälter noch verhindert. Als dann der Papst starb und Staatspräsident Jacques Chirac alle öffentlichen Einrichtungen dazu aufforderte die Tricolore aus diesem Anlass auf halbmast zu hissen, drohten die Schüler auch aus diesem Grund mit Streiks. Vor nicht allzu langer Zeit hatte das französische Parlament nämlich ein Gesetz verabschiedet, welches das Tragen auffälliger religiöser Symbole – vor allem von Kopftüchern, aber auch großen Kreuzen oder jüdischen Kippas – in öffentlichen Einrichtungen verbietet, da Frankreich ein streng laizistischer Staat ist. In diesem Fall bestanden die Schüler umso strenger auf dieser Trennung zwischen Kirche und Staat. Sollte die Tricolore auf halbmast gesetzt werden, so drohten sie, wollten sie aus Protest alle ein Kopftuch tragen. Dazu kam es dann jedoch nicht, weil die Tricolore schließlich nicht auf halbmast gesetzt wurde.

Das erste Mal, als ich diese Streiks hautnah miterlebte, waren sie für mich sehr beeindruckend gewesen – was sie eigentlich auch blieben, denn in Deutschland gibt es so etwas eben überhaupt nicht. Bei uns wären solche Verhältnisse wohl schon mit einer Revolution gleichzusetzen. Für die „surveillants“ und viele Lehrer schienen die Zustände mit der Zeit jedoch immer lästiger zu werden.

Was die Arbeit der „surveillants“ betrifft, haben diese auch die Aufgabe die Schüler in den Pausen und während der Mittagspause sowie vor als auch in der Kantine zu beaufsichtigen. Außerdem führen sie die Anmeldungen an der Schule durch und übernehmen weitere Papierarbeiten, wie u.a. auch das Sortieren und das Versenden von Zeugnissen an die Eltern. Sie arbeiten also in Aufgabenbereichen, die in Deutschland im Allgemeinen den Lehrern oder dem Sekretariat zugeteilt sind. Einen Teil meiner Zeit am Lycée verbrachte ich also damit, die „surveillants“ bei diesen Aufgaben zu unterstützen. Eine weitere Besonderheit der „surveillants“ ist, dass jeder von ihnen ein Fachgebiet hat. So war an der Theke im „Vie Scolaire“ ein für alle Schüler gut sichtbares Transparent angebracht, auf dem die Namen der „surveillants“ mit ihrem jeweiligen Fachgebiet zu lesen waren. So haben die „surveillants die Aufgabe den Schülern bei Fragen zum Stoff in den einzelnen Fächern zu helfen. In diesem Rahmen half ich einigen Schülern von Eliane Bénazet bei der Vorbereitung auf ihr mündliches Deutschabitur. In den vielen Gesprächen mit den „surveillants“ konnte ich eine Menge über das französische Schulsystem und das Leben der französischen Schüler und Studenten lernen. – Dinge, die ich zuvor nur aus der Theorie kannte. Ich wiederum konnte den „surveillants“ über mein Studium und das deutsche Schulsystem erzählen – somit fand ein reger Austausch zwischen uns statt. Toll fand ich auch, dass wir ab und zu gemeinsame Essen in der Schule veranstalteten, bei denen jeder etwas Selbstgemachtes oder Gekauftes für einen der vier Gänge beisteuerte. Außerdem feierten wir alle gegen Ende des Schuljahres noch einmal zusammen bei einem der „surveillants“.

4.4 In Caféteria und C.D.I.

Während in der ersten Woche meines Praktikums mein Stundenplan erstellt wurde, verlief mein Praktikum bereits von Anfang an sehr gut. So begrüßte mich der Direktor des Lycées jeden Morgen per Handschlag und fragte mich, ob für mich auch alles gut verliefe. In der Cafeteria durfte ich ihm später sogar einmal einen Kaffee servieren, wobei er sich angenehm überrascht darüber zeigte, dass ich auch bei diesen Tätigkeiten so viel Einsatzbereitschaft zeigte. Auch die Zusammenarbeit mit den beiden CPEs1 verlief sehr gut.

In der Cafeteria half ich den beiden Damen, von denen sie geleitet wurde. Hier hatte ich die Gelegenheit hinter der Theke oder auch beim Tischfußball mit den Schülern näher ins Gespräch zu kommen, wodurch ich mein Französisch kontinuierlich verbessern konnte. Ansonsten half ich dort bei fast allem, was an Arbeit anfiel. Ich machte Kaffee, verkaufte Süßigkeiten, spülte ab, räumte auf, half den Bestand und das Geld zu zählen. Im C.D.I., der Schulbibliothek, räumte ich Bücher ein, stattete sie mit Bibliotheksstempel und Diebstahlsicherung aus und konnte mich hier auch selbst mit der vorhandenen Literatur in verschiedenen Bereichen weiterbilden.

4.5 Unterschiede zwischen französischem und deutschem Schulsystem

Hier möchte ich nun darauf zu sprechen kommen, was mir in Frankreich im Vergleich zum deutschen Schulsystem besonders aufgefallen ist.

Die Unterschiede manifestieren sich hier m.E. vor allem in den schulischen Einrichtungen. Das oben bereits ausführlich erwähnte „Vie Scolaire“ mit den CPEs1 gibt es in Deutschland beispielsweise gar nicht. Während die CPEs1 in Frankreich für die Betreuung und Beratung der Schüler – nicht nur in Problemfällen – ihre Aufsicht und die Einhaltung der Schulordnung zuständig sind, ist die Aufgabe der französischen Lehrer nur die Vermittlung des Lehrstoffs. Um den soziokulturellen Hintergrund seiner Schüler oder die Zustände in deren Elternhäusern soll sich der französische Lehrer eigentlich keine Gedanken machen, um die Objektivität von Seiten des Lehrers so weit wie möglich zu wahren. Natürlich ist es auch von der Persönlichkeit des einen oder anderen Lehrers abhängig, ob er sich trotzdem noch darüber hinaus um seine Schüler kümmert. Jedoch ist es den Lehrern, wie man mir sagte, streng genommen sogar verboten, sich innerhalb der Schulstunden über den Unterrichtsstoff hinaus mit den Schülern zu unterhalten. Selbiges gilt auch für die Klassenlehrer. Diese haben jedoch eine zusätzliche Stunde, die sich „Vie de Classe“ (Klassenleben) nennt, jedoch nur dann auf Wunsch der Schüler stattfindet, wenn diese das Bedürfnis haben etwas mit dem Lehrer zu besprechen. Fällt ein Schüler hingegen wegen seines Verhaltens oder etwa häufiger Unpünktlichkeit auf, so findet in der Regel kein klärendes Gespräch zwischen Lehrer und Schüler statt. Eher schickt der Lehrer den Schüler zum CPE oder in schwierigeren Fällen auch zum Direktor. Im Gegensatz zum deutschen Schulsystem sind die Lehrer in Frankreich vereinfacht gesagt also reine Wissensvermittler. 

Besonders beeindruckt hat mich jedoch die Einrichtung des C.D.I. (centre de documentation et d’information = Schulbibliothek). Jede Schule in Frankreich von der Grundschule aufwärts beherbergt eine solche Bibliothek mit eigens dafür ausgebildeten Dokumentalisten, die den Status eines Lehrers haben, jedoch keinen regulären Unterricht erteilen. Jedoch können sie auf Wunsch der anderen Lehrer für die Schüler einer Klasse spezielle Stunden vorbereiten, in denen diesen z.B. Methoden der Literaturrecherche vermittelt werden. Die C.D.I.s sind keineswegs mit den allermeisten Schülerbüchereien in Deutschland vergleichbar. Den Schülern steht ein breit gefächertes Angebot von Lehrbüchern, Nachschlagewerken, Zeitungen, Zeitschriften, Romanen, aber auch Comics zur Verfügung. Da die Schüler (zumindest am Lycée) oft Freistunden haben, können sie diese nutzen um im C.D.I. so zu recherchieren und in Ruhe zu arbeiten wie in einer kleineren Hochschulbibliothek. Die Literaturrecherche kann an internetfähigen Rechnern durchgeführt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass dies einer der Gründe dafür ist, warum französische Schüler, wie die PISA-Studie ja bestätigt hat, den deutschen in punkto Lesekompetenz etwas voraus sind. Dazu muss berücksichtigt werden, dass französische Schüler in der Regel den ganzen Tag an der Schule verbringen und durch das C.D.I. viel leichter nach Literatur recherchieren oder allgemein mit Büchern in Kontakt kommen können als deutsche Schüler. Schließlich liegt das C.D.I. im Gegensatz zu einer Stadtbücherei nur wenige Fußschritte von den Unterrichtsräumen entfernt. Außerdem ist es doch ein Unterschied, ob man es in der Schule nur mit ausgeteilter Pflichtlektüre zu tun hat, oder ob man bei der Suche nach einem Roman oder Comicband von selbst auch auf interessante Zeitschriften oder Lehrbücher trifft. Wie man zum Nutzen dieser Einrichtung persönlich auch stehen mag, so lässt sich zumindest klar feststellen, dass an dieser Stelle in Frankreich mehr in Bildung investiert wird als in Deutschland.

Was die Einsatzmöglichkeiten von Medien im Unterricht wie bspw. Videos oder Dias betrifft, so sieht es an französischen Schulen im Vergleich zu den meisten mir bekannten deutschen hingegen eher schlecht aus. Tageslichtprojektoren sind zwar in der Regel vorhanden, jedoch müssen selbst diese teilweise vorher von den Lehrern im C.D.I. ausgeliehen werden.

Außerdem ist mir aufgefallen, dass die Schüler in Frankreich im Allgemeinen viel mehr konkrete Anweisungen vom Lehrer erwarten, wohingegen deutsche Schüler sich oftmals selbst etwas erarbeiten müssen und dadurch mitunter etwas selbstständiger wirken können. Auch diskutieren die Schüler im Unterricht untereinander und mit dem Lehrer weniger als bei uns. Von Lehrern am Lycée wurde mir allerdings erklärt, dass man ohne ein profundes Wissen ja gar nicht sinnvoll diskutieren könne, und dass daher oft keine Zeit für Diskussionen bleibe. Diese Erfahrungswerte lassen sich jedoch natürlich nicht pauschal auf alle französischen Schüler anwenden. Die Lehrer halten in Frankreich um die 16 Stunden Unterricht. Eine Unterrichtsstunde beträgt dabei in der Regel 60 min. Zudem unterrichten die Lehrer für gewöhnlich nur ein Schulfach. So weit ich verstanden habe, verdienen die französischen Lehrer dafür aber deutlich weniger als ihre deutschen Kollegen.

Was das System der Ganztagsschule betrifft, so finde ich, dass die Schultage in Frankreich doch etwas zu lang sind. Grundsätzlich finde ich das System aber nicht schlecht, wenn die Schultage nicht ganz so lang und die Schulen entsprechend ausgestattet sind, wie z.B. mit geeigneten Arbeitsräumen zur Vorbereitung für die Lehrer, wie dies auch in England der Fall ist. Die Schüler am „Lycée du Castella“ können in ihren Freistunden übrigens nicht nur im C.D.I. lesen. In der Cafeteria besteht die Möglichkeit, wie oben bereits erwähnt, Tischfußball zu spielen, fernzusehen, DVDs anzuschauen oder wie auch im C.D.I. Zeitungen und Zeitschriften zu lesen. Darüber hinaus können die Schüler in den Pausen natürlich auch in die Stadt gehen. Freistunden kommen im Vergleich zu Deutschland in Frankreich regelmäßig vor, da sie einen festen Bestandteil des Stundenplans darstellen.

4.6 Im Unterricht

Weiter oben hatte ich erwähnt, dass ich in einer 2nde (10. Klasse) am „Lycée du Castella“ auch im Deutschunterricht assistieren und unterrichten durfte. Die Arbeit mit den Schülern von Eliane Bénazet machte mir viel Spaß und war sehr lehrreich für mich. Von Mai bis Juni eröffnete sich für mich außerdem noch für einen Monat die Chance, parallel zu meinem Praktikum am „Lycée du Castella“ in zwei Deutschklassen von Martine Baillet am „Collège-Lycée Notre-Dame“ zu unterrichten. Hier übernahm ich den Unterricht in einer 4ème (8. Klasse) und einer 2nde (10. Klasse). Außerdem gestaltete ich zusammen mit Martine Baillet den Informationstag für alle Schüler, die Deutsch als Fremdsprache bisher noch nicht gewählt hatten. Dabei sang ich mit den Schülern unter anderem das Lied „Bruder Jakob“. Was ich sehr positiv fand war, dass der Unterricht hier doch sehr kommunikativ und etwas weniger auf Schriftlichkeit ausgerichtet war, als erwartet, was ich in meinen eigenen Stunden auch selbst stets zu beherzigen versuchte. Auch deutsche Popmusik spielte in meinem Unterricht eine Rolle. So ließ ich die Schüler der 4ème mit einem Liedtext arbeiten, woraufhin sie das Lied am Ende dann zur CD mitsangen. Dies schien ihnen viel Spaß zu machen, wie sie mir nach dem Unterricht auch versicherten. Auch konnte ich deutlich feststellen, dass die Schüler hier wirklich Deutsch sprechen wollten. Dies hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass Martine Baillet mit ihren Schülern im Unterricht hauptsächlich Deutsch spricht. Die Schüler der 4ème von Notre-Dame begleitete ich später auf Martine Baillets Einladung hin sogar auf ihren Schulausflug, ging mit ihnen ins Theater und besuchte auch ihre Schuljahrsabschlussfeier. Auch am „Lycée du Castella“ besuchte ich ein Theaterstück, welches im Gegensatz zu dem am „Collège-Lycée Notre-Dame“ von den Schülern selbst aufgeführt wurde. Theater ist am „Lycée du Castella“ eine Option, die in Kombination mit französischer Literatur auch als Abiturfach gewählt werden kann. Dabei stehen den Schülern professionelle Schauspieler zur Seite, weshalb dort von den Schülern auf hohem Niveau Theater gespielt wird. Gegen Theater-AGs, die ich von deutschen Schulen kenne, wirkten diese Schüler aus Pamiers auf mich wie Profis. Neben dem Unterricht am „Lycée du Castella“ und am „Collège-Lycée Notre-Dame“ gestaltete ich auch an einem Tag zusammen mit Dominique Lafont drei Deutschstunden in einer 2nde und einer Terminale (Abiturklasse) am „Lycée General Et Technologique International Victor Hugo“ in Colomiers (bei Toulouse). Auch hier durfte ich eine weitere wertvolle Erfahrung sammeln, denn die Schüler hier waren sprachlich auf einem besonders hohen Niveau.

5. Fazit

Alles in allem muss ich sagen, dass all die Erfahrungen, die ich während meines Aufenthaltes sammeln konnte, für mich sehr wertvoll sind. Sehr positiv fand ich auch, dass alle Personen, mit denen ich während meines Praktikums zusammenarbeiten durfte, Humor hatten. Außerdem fand ich es schön, dass alle in der Regel relativ locker miteinander umgehen konnten, ohne den nötigen Respekt voreinander vermissen zu lassen. Ich kann nur jedem jungen Menschen empfehlen, sich ebenfalls für ein Praktikum in Pamiers zu bewerben. Es lohnt sich!

 

Till Macher



[1] Diese Funktionsstelle gibt es im deutschen Schulsystem nicht. Der « conseiller principal d’éducation » ist zuständig für die Betreuung der Schüler, die Aufsicht und die Einhaltung der Schulordnung.